Paris-Brest-Paris 2015 – wie war’s denn so?

Fazit
1230km – ca. 11.000 Höhenmeter – 74 ½ Stunden brutto – paar-und-50 Stunden netto – <5 Stunden Schlaf

Man kann im Vorfeld viele Berichte zu Paris-Brest-Paris lesen in denen das Leiden im Mittelpunkt steht. Und ich hatte auch ziemlichen Respekt vor der Tour und habe befürchtet, Probleme zu bekommen. Aber ich hab wirklich die meiste Zeit auf dem Rad genossen, vielleicht 100km in Summe hatte ich keinen Spaß am Radeln – kein schlechter Schnitt auf 1230. Und körperliche Probleme gab’s zum Glück auch keine nennenswerten. Wir waren nicht die schnellsten, aber dafür hatten wir die beste Laune – ich hab in den Kontrollen zumindest keine andere Gruppe bemerkt die so viel und laut lacht bei jedem Essen wie wir. Dafür ein ganz, ganz großes Dankeschön an Verena, Gaby und Christian – geile Truppe!
Dank auch an die anderen Radler auf der Strecken, vor allem Silvio und die Italiener und die Mallorquiner. (Kein großer Dank an die Radler mit den Helmlampen und keine-Gruppe-fahren-können-aber-Windschatten-Woller.)

Und der größten Dank sowieso an die Bretonen und Normannen und alle anderen die da am Straßenrand stehen und uns ihr „courage“ zurufen und zu unmöglichen Nachtzeiten für Kaffee und Crêpes sorgen – es motiviert, es motiviert ungemein!

Fahre ich in 4 Jahren wieder? Keine Ahnung. Spontan natürlich gesagt: danke nein, wie alle von uns 4en. Inzwischen mit einer Wochen Abstand sieht’s anders aus, wie üblich kommen die ersten Gedankenspiele auf. Und man könnte ja mal versuchen wie schnell man sein kann, vielleicht ist ne Zeit unter 60 Stunden drin?? Selbst Gaby, die am Ende sehr deutlich gemacht hat nie wieder „so einen Scheiß“ zu fahren schwankt inzwischen. Auch wenn Sie meint das London-Edinburgh-London verlockender wäre; sind ja auch nur 200km mehr. Das Werbevideo zu LEL-2017 sieht jedenfalls recht verlockend aus…. 😉

Etwas mehr im Detail? Bitte sehr, lest selbst:

Tag und Nacht Nr. 1 – bis km 309
Startblock B, 16:15 – Verena und ich sind froh, dass es endlich losgeht. Raus über gesperrte Straßen, jede Menge Zuschauer am Straßenrand, perfektes Wetter. Im riesigen Pulk mit >100 Fahrer recht flott unterwegs, zumindest dachten wir dass bis uns nach nur knapp 100km ein ähnlich großer Pulk aus Block C (he, da ist Martin!) ein- und überholt. Bzw. versucht zu überholen, dabei räumen sie zwei „unserer“ Fahrer ab. Der Sturz sieht nicht wild aus, wir hoffen es ist nichts passiert, anhalten bei dem Tempo – unmöglich. Die ersten echten Hügel zerhauen dann die Gruppe und es geht ne Nummer kleiner weiter.
Nach 140km gucken wir uns an wie das alles so funktioniert an den Verpflegungsstellen: Flaschen füllen, Essen kaufen (noch sind wir auf Sandwiches unterwegs und nicht auf Pasta) – dann die Warnwesten und das Licht an und weiter gehts, in die Nacht hinein.

Das Fahren in der Nacht finde ich eigentlich recht entspannend – zumindest wenn man keine Idioten mit Helmlampen in der Gruppe hat, mit denen ist das dann doch arg anstrengend. Oder Leute, die ihre Lampen nicht auf die Straße sondern in die Bäume gerichtet haben – gibt’s leider.
Aber wir kommen gut durch, gegen Mitternacht die erste Kontrolle (Ein Stempel!!). Hier gibt’s leider nur Süßkram zu essen (oder haben wir die Kantine übersehen??), zusammen mit dem Pulverzeugs was ich unterwegs getrunken habe und diversen Riegel sagt mein Magen so langsam aber sicher: nicht mehr lange…
An Kontrolle 2 gibt’s dann bei ca. 300km um halb 4 ein anständiges Essen, das erste von vielen. Wir erwarten eigentlich Christian und Gaby, gestartet in Block E, die wollten deutlich flotter sein als wir, aber bisher nichts zu sehen – wenn sie uns nicht gerade überholen während wir uns dem warmen Essen widmen. Satt geht’s wieder los, langsam dämmert es.

Tag und Nacht Nr. 2 – bis km 614
Halb 7 an der nächsten Kontrolle, Sonne und blauer Himmel, trotzdem ziemlich kalt um diese Zeit. Wir übersehen leider die gut versteckte Kantine und machen uns nach nem Baguette mit ein paar Bananen wieder auf den Weg. Mein Magen will nix Süßes mehr, das bremst mich dann doch etwas aus. Muss ich halt öfter mal in ner Bäckerei halten, da gibt es in Frankreich schlimmeres…
Die Müdigkeit hält sich überraschenderweise in Grenzen, ein kurzes Powernap langt um den Rest des Tages durchzuhalten. Wir freuen uns über das super Wetter und lassen uns gegen Mittag von Christian und Gaby einsammeln (und Wolfgang und Günter, die uns eine Etappe mit ordentlich Tempo mitziehen bevor sie sich absetzen). Inzwischen langen wir auch an jeder Verpflegung ordentlich zu, ein großer Teller Pasta alle 3 bis 4 Stunden (plus Nachtisch!) darf es schon sein.
Irgendwo vor Brest muss noch dieser „Berg“ sein, Roc’h Trévezel mit immerhin 384m Höhe. Jeden (bissigen, gemeinen!) Anstieg fragen wir uns „isser das jetzt endlich?“ Oben angekommen hoffen wir auf lockeres Rollen bergab bis Brest – was zuerst auch ganz gut klappt, aber vor Brest wird’s noch mal gemein mit vielen kleinen, bösen Stichen.
Die Mädels schlagen Hotel vor, Christian und ich müssen nicht lange überzeugt werden – beim Einrollen in die Kontrolle treffen wir Silvio auf dem Weg zu seinem Hotel, der soll da mal zwei Zimmer klar machen. Also noch was ordentliches essen, ein paar bekannten Gesichtern gute Fahrt wünschen und dann ein paar extra km zum Hotel rollen. Belohnt werden wir mit heißen Duschen, frischen Klamotten (zumindest 3 von uns) und einem echten Bett, wenn auch nur für ein paar Stunden.

Tag und Nacht Nr. 3 – bis km 1008
Der Wecker klingelt zu früh, zu laut, aber es hilft nix. Kurz was frühstücken und um halb 6 sitzen wir auf den Rädern und fahren in den Sonnenaufgang. So ein paar Stunden Schlaf wirken Wunder! Gaby hat leider Probleme mit dem Sitzen und fährt mit Schmerzen, wir anderen 3 haben Glück und sind aktuell recht erholt.
Inzwischen kommen uns ein Haufen Leute entgegen, die alle noch nach Brest müssen – wir sind froh in der anderen Richtung unterwegs zu sein. Ein kurzer Kaffee + Croissant (und für Gaby: Betäubungssalbe) und es geht zum zweiten Mal auf den Roc’h Trévezel, von dieser Seite kommt er mir harmloser vor, vielleicht sind’s nur die frischen Beine.
Wir sind ziemlich flott unterwegs, Gaby’s Salbe wirkt und sie macht gleich mal ordentlich Tempo. Wir sammeln immer wieder Leute ein, leider will (kann?) sich von denen meist keiner an der Führungsarbeit beteiligen. Viele sind wir dann auch wieder am nächsten Hügel los. So richtig haben die meisten Randonneure das mit dem organisiertem Fahren in der Gruppe wohl auch nicht drauf….
Ein Trupp Italiener zieht allerdings mal mit, wir teilen uns vorne die Arbeit und ballern viel zu schnell der nächsten Kontrolle entgegen. Das werden wir sicher bereuen, allerdings machte es zu viel Spaß und musste in dem Moment einfach sein…

Der Tag ist im Prinzip ein einziges Fahren – Essen – Fahren – Essen, die einzelnen Etappen verschwimmen irgendwann miteinander, immer wieder schließlich wir uns mit anderen zu Gruppen zusammen, die sich an den Kontrollen oder größeren Hügeln wieder trennen.
Als es Nacht wird finden wir uns in einer größeren Gruppe wieder, lassen aber ziehen so bald es richtig dunkel ist. Ist uns zu unsicher mit so vielen unbekannten (und übermüdeten) Leuten im Pulk zu fahren. Zu viert klappt’s auch ganz gut und ist deutlich entspannter.

Km 919 ist erreicht, drei-viertel sind rum! Wir essen noch mal ordentlich was und dann geht es durch die dritte Nacht, eigentlich ganz guter Dinge. Leider wirkt Gaby’s Salbe inzwischen nicht mehr, dazu ist auch noch ihr Klickpedal kaputt (rechts nur noch drücken, nicht mehr ziehen), das ist bisher nicht ihr Tag. Wir sind vielleicht ne Stunde unterwegs, da werden wir schon wieder aufgehalten: Crêpes und Kaffeestop, „La Tanniere“ – high life nachts um halb 2, die Nachbarschaft ist versammelt und versorgt vorbeikommende Radler. Ein großer Dank!!
Der Kaffee wirkt leider nur kurz – diese Nacht wird anstrengend. Wir fahren unrhythmisch und halten oft an, die Beine könnten noch aber für den Kopf ist es anstrengend. Immer wieder Gestalten in Rettungsdecken am Straßenrand, beliebt sind auch die Pflanzungen in den Kreisverkehren. Gaby muss an einer weiteren Nachbarschaftsverpflegung ein Powernap machen, wir anderen überlegen uns ob wir sie so weiterfahren lassen können, verantworten wollen wir das nicht. Aber 5 Minuten Nickerchen scheinen zu wirken, Gaby will auf jeden Fall weiter und wir schleppen uns zur nächsten Kontrolle. Zum ersten Mal auf 1000km ist die Stimmung allerdings mal nicht gut sondern etwas frostig, wir sind alle leicht genervt.

Tag Nr. 4 / Ankommen bei km 1230
In der Kontrolle wird diskutiert wie wir weiter fahren wollen, so richtig können wir uns nicht einigen. Ich hab schlechte Laune und beschliesse, nach 15 Minuten Powernap alleine weiterzufahren, damit ist zumindest ne Entscheidung gefallen. Das mit dem Schlafen klappt nicht, ich bin also früher wieder unterwegs und hätte noch mit den anderen fahren können, will jetzt aber meinen eigenen Rhythmus fahren. Sind ja schließlich nur noch 200km, die fahr ich auch alleine… (ja, ich weiß wie das klingt – aber man fängt wirklich an so zu denken)

Nach 50 einsamen km in den Sonnenaufgang sammle ich Gaby an einem Kuchenstand ein, sie musste abreissen lassen. Wir rollen zusammen zur vorletzten Kontrolle, keine 10km vorher überkommt mich allerdings die Müdigkeit – 5 Minuten Schlaf am Straßenrand helfen.
Nur noch eine Kontrolle, 2 letzte Etappen. Ich bin immer noch schlecht gelaunt, keine Lust auf Begleitung und setze mich in den ersten Hügeln von Gaby ab, in Gedanken einsam und heroisch die Hügel von Paris erkletternd. Es folgen allerdings 60 brettebene km, inzwischen ist ein ordentlicher Gegenwind aufgekommen, heiß ist es auch – jetzt wäre Gesellschaft nett. Allerdings begegnet mir niemand, gelegentlich liegt jemand schlafend am Straßenrand. Zum Anhalten und Warten kann ich mich allerdings auch nicht durchringen, habe auch Angst einzuschlafen wenn ich anhalte.

In der letzten Kontrolle treffe ich tatsächlich noch Verena und Christian wieder, hatte gedacht die sind viel weiter. Ich vertrage wieder Gesellschaft, der Gegenwind hat die schlechte Laune besiegt. Eigentlich will ich mich beeilen und mit den zweien weiter, aber dann taucht Gaby wieder auf und ich beschliesse zu warten.
Die letzten 77km sollten eigentlich ne lockere Sache werden, aber es gibt einen Haufen Hügel (gab’s die auf dem Hinweg auch??), viele doofe Abzweigungen, es kommt überhaupt kein Flow auf. Und Paris nur sehr langsam näher, zum ersten Mal macht mir das Fahren keinen Spaß. 20km vor dem Ziel muss ich wieder kurz vom Rad, nur 2 Minuten die Augen zu…

Endlich wird es städtischer, wir rollen tatsächlich am Velodrom ein – das Ziel ist leider ein ziemlich Antiklimax, an jeder Kontrolle wurde man herzlicher begrüßt. Ein letzter Stempel und das war’s, geschafft!

 

 

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