Nachts auf dem Rad – Meditation für Anfänger
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Kurz hinter Freising kommt mir noch ein letzter Jogger mit Stirnlampe entgegen, danach verschluckt mich der Wald und die nächste Stunde bin ich mit mir und meinem Rad alleine in der Nacht. Ein schmaler Lichtkegel, das Surren der Kette und das Rollen der Reifen auf dem Schotter - mehr ist da nicht.
Große Welt ganz klein
Verkleinert auf diesen kleinen Ausschnitt Licht müsste der sowieso schon tausend Mal gefahrene und langweilige Isarradweg eigentlich noch viel langweiliger werden, aber das Gegenteil ist der Fall: Kaum bin ich aus der Stadt raus dauert es nur ein paar Minuten und ich bin „im Flow“. Die Dunkelheit schirmt fast alle äußeren Einflüsse ab, die Strecke ist einfach genug dass das Fahren unbewusst passieren kann und die körperliche Anstrengung ist hoch genug, um das Denken auszuschalten. In meiner kleinen Lichtblase geht es jetzt nur noch ums Treten, Treten, Lenken und Treten. Und so trete ich auch dieses Mal durchs Nichts und nehme kaum bewusst wahr, wo ich gerade bin.
Das ist es, was nachts fahren für mich so spannend macht. Gar nicht weit weg von Stadt und Zivilisation und all den Menschen und Autos bin ich plötzlich ganz allein. Ich sehe zwar noch den Schimmer der Lichter in den Wolken, aber es gibt keine Geräusche mehr außer denen, die ich selber mitbringe und gelegentlich das Rauschen der Isar. Das Zeitgefühl ist weg (der Garmin steckt im Rucksack) und ich könnte jetzt nicht sagen wie weit es noch bis nach München ist oder wie lange ich schon unterwegs bin… Kurz tauchen aus dem Dunkel ein paar gedimmte Stirnlampen auf und ich komme an einer Gruppe Pfadfinder vorbei. Pfadfinder?? Waren die gerade wirklich da oder halluziniere ich? Egal, weiter gehts.
Langsam raus aus der Blase
Wie immer überrascht mich die eine Kurve und ich muss kurz mal in die Bremsen greifen (jetzt schon? wirklich so eng??). Irgendwann taucht in der Ferne ein Strichmännchen auf und ich zweifle wirklich kurz an meiner Wahrnehmung. Aber es ist nur ein Jogger in reflektierenden Klamotten, ein erstes Zeichen dafür dass ich mich München nähere. Noch zwei weitere Jogger und jemand mit Hund, dann weicht der Schotter Asphalt und die ersten Straßenlaternen tauchen auf. Zeit aus meine Blase wieder rauszukommen, ob ich will oder nicht. Zum Glück baut sich das langsam auf, ein paar Minuten radel ich noch an der Isar entlang bevor ich auf die Straße muss und den letzten km im Verkehr mitfahre, wieder angekommen in der „echten“ oder besser „normalen“ Welt.
Licht anschalten, Kopf ausschalten
Ich habe mich früher mal an Meditation versucht und in letzter Zeit wird ja viel über Achtsamkeit gesprochen, aber das klappt bei mir beides nicht. Irgendwas lenkt immer ab, von außen, von innen, da fehlt mir die Geduld und wohl auch die Hartnäckigkeit und Konsequenz um mir das anzutrainieren. Aber wenn ich nachts auf dem Rad sitze geht das ganz schnell und von alleine, 100% garantiert. Egal was an Gedanken durch den Kopf rollt, nach ein paar km in der Dunkelheit sind die weg. Damit gibt es für mich auch zum Abschalten nach der Arbeit nichts besseres, als den Heimweg auf dem Rad etwas auszubauen.
Neben dem Abschalten bringt das im-dunkeln-fahren im Herbst - nach der Zeitumstellung, aber vor dem Schnee - nach einer langen Saison noch mal wieder etwas Abwechslung rein. Vor allem diese „meditativen“ Heimfahrten nach der Arbeit geniesse ich sehr, selbst wenn ich ansonsten vielleicht um diese Zeit gerne mal etwas fahrradmüde bin. Wer also nach einer langen Saison keine Lust mehr hat aufs Radeln, vielleicht einfach mal ausprobieren! Und das gilt natürlich noch viel mehr für die, die sich ärgern das es inzwischen „zu dunkel“ zum Radeln ist. Mein Tipp: runter von der Straße, warme Klamotten an, gutes Licht ans Rad und einfach weiterradeln….
PS:
Anders gut, aber auch gut: nachts im Sommer mit dem Rennrad auf unbekannten Strecken unterwegs, im Dunkeln der Linie auf dem Garmin folgend - aber dazu ein anderes Mal.
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Tags , Feierabend, Nachts, Rennrad, Wintertraining
gepostet von Christopher J. am 21. Dezember 2016
Kurz hinter Freising kommt mir noch ein letzter Jogger mit Stirnlampe entgegen, danach verschluckt mich der Wald und die nächste Stunde bin ich mit mir und meinem Rad alleine in der Nacht. Ein schmaler Lichtkegel, das Surren der Kette und das Rollen der Reifen auf dem Schotter - mehr ist da nicht.
Große Welt ganz klein
Verkleinert auf diesen kleinen Ausschnitt Licht müsste der sowieso schon tausend Mal gefahrene und langweilige Isarradweg eigentlich noch viel langweiliger werden, aber das Gegenteil ist der Fall: Kaum bin ich aus der Stadt raus dauert es nur ein paar Minuten und ich bin „im Flow“. Die Dunkelheit schirmt fast alle äußeren Einflüsse ab, die Strecke ist einfach genug dass das Fahren unbewusst passieren kann und die körperliche Anstrengung ist hoch genug, um das Denken auszuschalten. In meiner kleinen Lichtblase geht es jetzt nur noch ums Treten, Treten, Lenken und Treten. Und so trete ich auch dieses Mal durchs Nichts und nehme kaum bewusst wahr, wo ich gerade bin.
Das ist es, was nachts fahren für mich so spannend macht. Gar nicht weit weg von Stadt und Zivilisation und all den Menschen und Autos bin ich plötzlich ganz allein. Ich sehe zwar noch den Schimmer der Lichter in den Wolken, aber es gibt keine Geräusche mehr außer denen, die ich selber mitbringe und gelegentlich das Rauschen der Isar. Das Zeitgefühl ist weg (der Garmin steckt im Rucksack) und ich könnte jetzt nicht sagen wie weit es noch bis nach München ist oder wie lange ich schon unterwegs bin… Kurz tauchen aus dem Dunkel ein paar gedimmte Stirnlampen auf und ich komme an einer Gruppe Pfadfinder vorbei. Pfadfinder?? Waren die gerade wirklich da oder halluziniere ich? Egal, weiter gehts.
Langsam raus aus der Blase
Wie immer überrascht mich die eine Kurve und ich muss kurz mal in die Bremsen greifen (jetzt schon? wirklich so eng??). Irgendwann taucht in der Ferne ein Strichmännchen auf und ich zweifle wirklich kurz an meiner Wahrnehmung. Aber es ist nur ein Jogger in reflektierenden Klamotten, ein erstes Zeichen dafür dass ich mich München nähere. Noch zwei weitere Jogger und jemand mit Hund, dann weicht der Schotter Asphalt und die ersten Straßenlaternen tauchen auf. Zeit aus meine Blase wieder rauszukommen, ob ich will oder nicht. Zum Glück baut sich das langsam auf, ein paar Minuten radel ich noch an der Isar entlang bevor ich auf die Straße muss und den letzten km im Verkehr mitfahre, wieder angekommen in der „echten“ oder besser „normalen“ Welt.
Licht anschalten, Kopf ausschalten
Ich habe mich früher mal an Meditation versucht und in letzter Zeit wird ja viel über Achtsamkeit gesprochen, aber das klappt bei mir beides nicht. Irgendwas lenkt immer ab, von außen, von innen, da fehlt mir die Geduld und wohl auch die Hartnäckigkeit und Konsequenz um mir das anzutrainieren. Aber wenn ich nachts auf dem Rad sitze geht das ganz schnell und von alleine, 100% garantiert. Egal was an Gedanken durch den Kopf rollt, nach ein paar km in der Dunkelheit sind die weg. Damit gibt es für mich auch zum Abschalten nach der Arbeit nichts besseres, als den Heimweg auf dem Rad etwas auszubauen.
Neben dem Abschalten bringt das im-dunkeln-fahren im Herbst - nach der Zeitumstellung, aber vor dem Schnee - nach einer langen Saison noch mal wieder etwas Abwechslung rein. Vor allem diese „meditativen“ Heimfahrten nach der Arbeit geniesse ich sehr, selbst wenn ich ansonsten vielleicht um diese Zeit gerne mal etwas fahrradmüde bin. Wer also nach einer langen Saison keine Lust mehr hat aufs Radeln, vielleicht einfach mal ausprobieren! Und das gilt natürlich noch viel mehr für die, die sich ärgern das es inzwischen „zu dunkel“ zum Radeln ist. Mein Tipp: runter von der Straße, warme Klamotten an, gutes Licht ans Rad und einfach weiterradeln….
PS:
Anders gut, aber auch gut: nachts im Sommer mit dem Rennrad auf unbekannten Strecken unterwegs, im Dunkeln der Linie auf dem Garmin folgend - aber dazu ein anderes Mal.
Tags , Feierabend, Nachts, Rennrad, Wintertraining
gepostet von Christopher J. am 21. Dezember 2016